Einfache Fälle
Fall 47
Mann stellt sich mit rezidivierenden "Wunden" an den Handrücken vor.
Anamnese
Seit wann sind diese Verletzungen aufgetreten?
Seit ca. 9 Monaten. Ist das vielleicht nervlich bedingt? Ich habe seit mehreren Monaten Probleme mit meiner Frau. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich mit all diesen Geschichten wieder zu trinken begonnen habe, um mich ein wenig zu entspannen.
Diese Hauterkrankung kommt häufiger bei Männern, über 40 Jahre alt, meist Alkoholiker, vor. Sie kann auch mit einer Hepatopathie im Rahmen einer viralen Hepatitis B/C assoziiert sein.
Haben Sie auch an anderen Körperstellen solche Verletzungen?
Nein, nur an den Handrücken. Manchmal habe ich sogar Blasen wie zum Beispiel jetzt.
Diese Hauterkrankung ist typischerweise an unbedeckten Körperstellen lokalisiert. Sie ist durch eine erhöhte Verletzbarkeit der Haut mit Blasenbildung und Erosionen charakterisiert, die narbig abheilen. Häufig finden sich auch Milien.
Was haben Sie vor der Pensionierung gearbeitet?
Doktor, ich bin doch noch gar nicht pensioniert! Ich bin 50 Jahre alt! Von Beruf bin ich Gärtner.
Die erkrankten Personen haben typischerweise eine chronische aktinische Hautschädigung mit verfrühter Hautalterung: Elastose mit Zysten und Komedonen im Gesicht, diffuse bräunliche Pigmentierung, Rautennacken.
Leiden Sie an schweren Erkrankungen? Haben Sie sich schon Operationen unterziehen müssen?
Als ich 5 war hat man mir die Mandeln operiert. Daneben habe ich keine weiteren Operationen gehabt. Dagegen hat mir mein Arzt vor einem Jahr gesagt, ich hätte ein wenig Zucker und meiner Leber ginge es nicht gut.
Gute Frage. Die Vorgeschichte des Patienten ist häufig wichtig in der Dermatologie. Ein Diabetes ist häufig mit dieser Erkrankung assoziiert, wie auch bei diesem Patienten.
Nehmen Sie Medikamente ein?
Nein. Vor einem Jahr habe ich Antabus genommen, aber aktuell habe ich damit aufgehört.
Gute Frage! Die Mehrzahl der betroffenen Patienten haben eine Sekundärform dieser Erkrankung, die meist durch ein hepatotoxisches Medikament verursacht wird, wie beispielsweise in diesem Falle der Alkohol. Es existiert auch eine vererbte Form dieser Erkrankung, aber dies ist eine Seltenheit.
Haben Sie auch andere Veränderungen bemerkt?
Mir sind zwei Sachen aufgefallen. Mein Urin ist sehr dunkel geworden; so wie braunes Bier. Zudem wird mein Bartwuchs immer stärker wird. Er wächst mir schon bis auf die Wangen. Während auf dem Kopf verliere ich Haare, wie mein Vater damals.
Bei dieser Erkrankung, ist gewöhnlich der Urin sehr dunkel gefärbt (so wie dunkles Bier), und fluoresziert unter Woodlicht orange. Eine erworbene Hypertrichose, besonders im Wangenbereich, ist auch charakteristisch.
Haben Sie schon eine Behandlung versucht?
Ja, mein Allgemeinpraktiker hat mir eine kortisonhaltige Creme verordnet; aber das hat mir nicht wirklich geholfen.
Topische Kortikosteroide gehören nicht zur Therapie der Wahl bei dieser Erkrankung.
Effloreszenzen
Wählen Sie die richtigen Effloreszenzen:
Serös oder serös-hämorrhagische Blasen auf den Handrücken sind typisch für die vorliegende Erkrankung (Für Licht- und Minimaltraumata exponierte Stellen)
Die Poikilodermie ist charakteristisch für die chronische Radiodermatitis, insb. nach radioonkologischer Behandlung. Es handelt sich um einen buntscheckigen Zustand der Haut, der sich durch folgende Trias auszeichnet: Teleangiektasien, Atrophie und Pigmentstörungen.
Bei dieser Dermatose beobachtet man subepidermale Blasen an lichtexponierten Arealen (typischerweise Hände), die sich zu Erosionen entwickeln.
Die urtikariellen Papeln und Plaques sind durch Oedem und Erythem der Haut gekennzeichnet. Typisches Beispiel sind Quaddeln nach Brennesselkontakt. Brennessel = lat. Urtica diocia.
Diagnose
Wählen Sie die richtige Diagnose:
Findet sich häufig an den Händen, aber mit anderem klinischem Aspekt: Erythematöse Papeln und seröse Vesikel, die zu unscharf begrenzten Plaques konfluieren, im akuten Stadium. Erythrosquamöse Plaques und Lichenifikation im chronischen Stadium.
Richtig. Diese Art der Porphyrie ist keine Seltenheit und sollte nicht nur Dermatologen sondern auch Aerzten anderer Fachrichtungen bekannt sein.
Beim Pemphigus: Schlaffe Blasen (intraepidermal), Nikolskiphänomen I positiv, im Gegensatz zu den subepidermalen Blasen bei der Porphyria cutanea tarda. Ausserdem finden sich beim Pemphigus typischerweise Erosionen an den Schleimhäuten.
Hände häufig betroffen aber anderes Erscheinungsbild: periunguale Teleangiektasien und Gottronpapeln, brückenartig auf den Dorsalseiten der Metacarpophalangealgelenken unter Aussparung der Interphalangealzwischenräume
Therapie
Wählen Sie die richtige(n) Therapie(n):
Diese ans Mittelalter errinnernde Behandlung ist eine Therapie der Wahl für die Porphyria cutanea tarda. Die Abnahme des Gehaltes an Porphyrinen im Blut führt nach einigen Wochen zur Verbesserung des klinischen Zustandbildes.
Achtung: wirksame Therapie, sollte aber nur in geringen Dosen von erfahrenen Aerzten verschrieben werden. In der Tat kann Chloroquin in hohen Dosen eine Leberinsuffizienz bewirken und und so zu einer Exacerbation der Porpyhrie führen.
Man sollte dem Patienten nicht nur raten Alkohol und Sonnenlicht zu meiden, sondern bei neuen Medikamenten auch den Rat eines Arztes zu suchen. In der Tat sollte die Einnahme aller hepatotoxischen Medikamente vermieden werden.
CAVE: potentielle Hepatotoxizität der oralen Antidiabetika, bei Porphyria cutanea tarda nicht verschreiben!
Die Porphyria cutanea tarda ist keine bullöse Autoimmunerkrankung, wie beispielsweise der Pemphigus vulgaris oder das bullöse Pemphigoid, bei welchen eine systemische Behandlung mit Kortikosteroiden oder Immunsuppressiva häufig indiziert ist.
Test
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