2.4.8 Bienen- und Wespenstiche

Grading & Level of Importance: B

ICD-11

XM7930

Synonyme

Hymenopteren-Reaktion (Bienen und Wespen)

Epidemiologie

Gemäss einer Aufstellung des europäischen Netzwerkes für schwere allergische Reaktion (NORA) sind 20.2 % aller Fälle von Anaphylaxie Bei Kindern und 48.2 % bei Erwachsenen auf Insektengifte zurückzuführen. Patienten mit vermehrter Zahl von Mastzellen und Mastozytose mit erhöhtem Tryptase-Spiegel (ca. 8% der Bevölkerung) tragen ein höheres Risiko für eine lokale oder systemische Reaktion. Ernsthafte systemische Reaktion sind bei Bienenzüchtern zwei bis dreimal häufiger.

Definition

Allergische und Pseudoallergische Reaktionen gegen Bienen und Wespenstiche.

Aetiologie & Pathogenese

Stiche durch Honigbienen sind im Allgemeinen nicht stärker als Wespenstiche; diese setzen aber eine grössere Giftmenge frei. Beide sitzen verschiedene Schmerz-Mediatoren frei: Peptid 401, Prostaglandine, Serotonin, Kinine und Acetycholin. Bienen können nur einmal stechen; Wespen dagegen mehrmals.

 

Allergische Insektenstichreaktion verursachen ausgedehnte Lokalreaktionen (>10 cm) oder systemische Reaktionen (SR) und potentiell lebensbedrohliche anaphylaktische Reaktion. Anaphylaxie ist eine IgE vermittelte Reaktion. Bei Personen, die eine Bienengiftallergie haben, binden IgE Antikörper an Gewebemastzellen und Basophile. Die Aktivierung dieser Zellen induziert eine Kaskade vasoaktiver Substanzen mit Freisetzng von Leukotrienen, Histamin, und chemotaktischen Eosinophilen-Factor-A. die Zahl der Mastzellen in Haut und Schleimhäuten beeinflusst die Freisetzung von Histamin, Bradykinin und Plättchen aktivierendem Faktor (platelet activating factor; PAF).

Symptome

Neben Lokalreaktion spezifische Allgemeinreaktionen, die nach H.L. Müller in 4 Schweregrade eingeteilt werden (siehe Klassifikation).

 

  • Typischer Vorbote: Pruritus.
  • Im Vollbild Flush, Quincke-Ödem, Blutdruckabfall, Bronchospasmus, Nausea, Magen-Darm-Koliken, Krämpfe, Urin-/Stuhlabgang.

 

50% der Symptome innerhalb von 5 Minuten, weitere 40% innerhalb von 30 Minuten.

Lokalisation

  • Haut: Kopf, Nacken, Extremitäten
  • Schleimhäute: Zunge, Larynx, Traches, Ösophagus

Klassifikation

Schweregrad der allergischen Reaktionen auf Hymenopterenstiche (modifiziert nach H.L. Müller):

 

  • Grad 0 gesteigerte Lokalreaktion (>10cm, >24h).
  • Grad 1 leichte Allgemeinreaktion: Generalisierte Urtikaria, Pruritus, Malaise, starkes Angstgefühl
  • Grad 2 mässige Allgemeinreaktion: Beliebige der oben erwähnten und 2 oder mehrere der folgenden: Angioödem (auch 2 wenn allein), thorakales Engegefühl, Nausea, Erbrechen, Diarrhoe.
  • Grad 3 schwere Allgemeinreaktion: Beliebige der oben erwähnten und 2 oder mehrere der folgenden: Dyspnoe (auch 3 wenn allein), Stridor,  Dysphagie, Dysarthrie, Heiserkeit, Benommenheit, Todesangst.
  • Grad 4 Schockreaktion: Beliebige der oben erwähnten und 2 oder mehrere der folgenden: Zyanose, Blutdruckabfall, Kollaps, Harn-/Stuhlinkontinenz, Bewusstlosigkeit.

Labor & Zusatzuntersuchungen

Hymenopteren-Allergie: Nachweis spezifischer IgE im serum ( ImmunoCAP , RAST). Tryptase.

Dermatopathologie

Nicht indiziert.

Verlauf

Unterschiedlich von einer selbstlimitierenden milden Lokalreaktion bis zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock.

Komplikationen

Siehe Klassifikation und Verlauf.

Diagnose

Klinisches Bild (Lokalreaktion und Allgemeinreaktion). Nach genauer Anamnese, spezifisches IgE-Titer im Serum. Scatch-, Prick- und Intrakutantestung mit wässrigen Verdünnungen von Wespen- bzw. Bienengift zur Bestimmung der Empfindlichkeitsschwelle.

Differentialdiagnosen

Andere Hymeopterenstiche (Hornissen, Hummeln), Urtikaria, Angioödem.

Therapie & Prävention

  • Schützende Kleidung, schlafen unter einem Fliegennetz, Repellents
  • Lokalreaktion: topische Steroide oder antipruriginöse Externa, kurzfristg Kühlung mit Eispackungen, orale Antiihistaminika
  • Bei Hymenopteren-Allergie:
    • Bei leichten Allgemeinreaktionen Antihistaminikum intravenös, evtl. Steroide peroral oder intravenös (entspr. 100 mg Prednison),
    • Bei bronchospastischer Reaktion Betasympathomimetikum als Dosieraerosol, mindestens 1h beobachten.
    • Bei schweren Allgemeinreaktionen Adrenalin subkutan (0.3-0.5mg) oder verdünnt intravenös (1-3ml einer Lösung aus 1mg und 10-20ml NaCl), Steroide intravenös (entspr. 250mg Prednison), Antihistaminikum intravenös sowie Volumenersatz;
    • Bei Larynx-Ödem Adrenalin-Inhalation, bei Bronchospasmus evtl. Theophyllin.
    • Beratung über Verhaltensmassnahmen (Expositionsprophylaxe, Verhalten bei erneutem Stich). Abgabe eines Notfall-Sets (2 Tabletten Prednison à 50mg, 2 Tabletten eines rasch wirksamen Antihistaminikums, Adrenalin-Inkjektor/Epipen oder -Dosieraerosol).
    • Bei Reaktionsschweregrad 3 oder 4: immer Hyposensibilisierung (rush / ultrarush Hyposensibilisierung) 
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