4.1.1 Akne vulgaris und Varianten

Grading & Level of Importance: B

ICD-11

ED80Z

Synonyme

Bibeli Seuche.

Epidemiologie

Bei ca. 85% aller Personen zwischen 16. und 18. Lebensjahr. Gelegentlich bei Kleinkindern sowie bei Erwachsenen in der 3. Und 4. Lebensdekade.

Definition

Sehr häufige, chronische, polyätiologische, häufig erbliche, entzündliche Erkrankung des Talgdrüsenfollikelapparates in der Pubertät. 30 % auch jenseits des 20.-25.Lj. Unterschieden wird eine physiologische Akne (ca. 60-70%) als Normvariante und klinische Akne (30-40%), letztere bedarf einer ärztliche Betreuung.

Aetiologie & Pathogenese

Genetische Disposition und hormonale Stimulation (Androgene). In der beginnenden Pubertät Dehydroepiandrosteron (DHEA) -Signal der Nebennierenrinde (NNR) mit Wirkung auf Sebocyten und Follikelkeratinocyten. Seborrhoe: Folge der Proliferationssteigerung der Sebozyten und Änderung ihrer Differenzierung durch Androgene und Insulin Growth Factor (IGF). Dies führt zur Produktion von zahlreichen Fetten einschl. Ceramiden, Squalen und Cholesterin. Ausschüttung von Entzündungsmediatoren.

 

  • Follikuläre Verhornungsstörung: Proliferation follikulärer Keratinocyten (Androgensignal), Retentionshyperkeratose, Störung des Keratin- und Integrinmusters.
  • Bakterielle Vermehrung: Niedrige Sauerstoff-Sättigung und Talgbestandteile sind ideale Bedingungen für Cutibacterium acnes im Infundibulum. Eine Lipase spaltet Triglyceride in Freie Fettsäuren. Erhöhte Expression von TLR-2 und 4 und anderer Alarmsignale. IL-1 α und Mediatoren von C. acnes fördern die Entzündung und bewirken Hyperproliferation der Korneozyten.
  • Starke Reaktion des angeborenen (innate) Immunsystems. Akkumulation von CD4 und CD7 positiven T-Lymphozyten, die die Follikelwand infiltrieren, gefolgt von Makrophagen.

 

Ernährung spielt eine Rolle, die jedoch häufig überbewertet wird: Kohlehydrate stimulieren IGF-1 und Androgene über «nuclear factors» (Fox 01). 

 

Erhöhtes Suizidrisiko bei übersteigerter emotionaler Reaktion.

 

Die Primäreffloreszenz ist der Komedo: offene Komedonen (black heads), geschlossene Komedonen (white heads). Papeln (< 5 mm), Knoten (> 1 cm), Pusteln, Abszesse, Fistelgänge, Narben, Keloide.

Oft starke psychische Reaktionen. Erhöhte Suizidrate.

Symptome

  • Mikrokomedonen: klinisch unsichtbare sterile Vorläuferläsion aller primären Akneeffloreszenzen.
  • Komedo ist die Die Primäreffloreszenz:
    • offene Komedonen (black heads),
    • geschlossene Komedonen (white heads).
  • Papeln (< 5 mm), Knoten (> 1 cm), Pusteln, Abszesse, Fistelgänge, Narben, Keloide.

Lokalisation

Gesicht, Brust, Rücken.

Klassifikation

Formen:

  1. Acne comedonica (I): überwiegend Komedonen
  2. Acne papulopustulosa (II): überwiegend Papeln und Pusteln; daneben Komedonen
  3. Acne papulopustulosa nodosa (III): stärkere Entzündung, zahlreiche Pusteln und erste Knoten
  4. Acne conglobata (IV): Vernarbung, Abszesse, Fistelgänge, Zipfelnarben, typische Lokalisation (zentrofazial, Schulter, Brust, Rücken)

 

Sonderformen:

  • Spät auftretende Akne
      •  (a) persistierend
      • (b) rückfällig
      • (c) erstmalig. Meist bei Frauen mit milder endokrinologischer Funktionsstörung. Gelegentlich im Zusammenhang mit PCOS (Polyzystischem Ovar) und Zeichen einer Androgenisierung.
  • Acne fulminans: Fieber, Leukozytose, Arthralgien, Immunvaskulitis sterile Knochenabszesse, erhöhtes CRP
  • Acne aestivalis (Mallorca-Akne): Akneiforme Reaktion bei follikulärer Reizung durch Sonnencremes, UV, Juckreiz, keine Komedonen
  • Acne venenata: physikochemisch und/oder pharmakologische Auslösung, kann berufsbedingt sein; Unterhaltung oder Aggravation einer Akne): Medikamente (z.B. Kortikosteroide), Kosmetika, Chlorverbindungen, Jod, Öl, Teer, ionisierende Strahlen (häufig PRIDE Syndrom nach EGF-Rezeptorantagonisten bei Onkotherapie)
  • Akne cosmetica: “Überwaschung”, übermässige Verwendung von «Cleansern». Okklusive Kosmetika, Vaseline/petrolatum.
  • Acne excoriée des jeunes filles: Artefakte mit Exkoriationen und Papeln um Mund/Kinn, oft psychiatrischer/neurotischer Hintergrund  
  • Acne neonatorum (häufig, relative Hyperplasie der Nebennierenrinde in der Neugeborenenperiode)
  • A. infantilis (ab dem 1 LJ, Erstmanifestation androgenitaler Syndrome, selten, LH/FSH induzierter Testosteronanstieg). 
  • Acne inversa, früher Hidradenitis suppurativa (siehe Kapitel 2.2.2): Entzündung des Terminalhaarfollikels in apokrinen drüsenreichen Arealen.
  • Akne-Tetrade mit Acne conglobata, Acne keloidalis nuchae, Pilonidalsinus und Acne inversa.

Labor & Zusatzuntersuchungen

Bei therapieresistenter Akne sollte eine Hyperandrogenämie (z.B. hormonproduzierende Tumoren, andrenogenitales Syndrom, polyzystische Ovarien) ausgeschlossen werden.

Dermatopathologie

Selbst limitierend mit Abklingen gegen Ende der 2. Lebensdekade. Späte Akne siehe oben.

Verlauf

Selbst limitierend mit Abklingen gegen Ende der 2. Lebensdekade. Späte Akne siehe oben.

Komplikationen

Narben (Atrophien, Keloide), Fistelgänge, Pigmentverschiebungen, psychische Langzeitkomplikationen; Impulskontrollstörung.

Diagnose

Typisches klinisches Bild.

Differentialdiagnosen

Rosacea papulo-pustulosa, Folliculitis von Gesicht oder Stamm; Pseudofollikulitis im Bartbereich; Gram-negative Folliculitis; Ulerythema ophryogenes;  Prurigo-Typ einer atopischen Dermatitis.

 

PRIDE Syndrome: nach oncologischer Behandlung mit EGF Rezeptor Antagonisten.

 

Akne aestivalis ("Mallorca acne"): keine Akne sondern eine akneiforme, juckende Reaktion bei prädisponierten Personen, die eine Follikelirritation durch Sonnencreme in Verbindung mit UV-Licht zeigen; keine Komedonen.

Therapie & Prävention

  • Topische Basistherapeutika sind Retinoide (komedolytisch, anikomedogen und antiinflammatorisch) sowie Benzoylperoxid (BPO) als stärkste antimikrobielle Substanz. Azelainsäure als schwächere Alternative. Topische Antibiotika niemals als Monotherapie (Resistenzbildung)
  • Acne comedonica, Acne papulopustulosa: sequentielle oder fixe Kombinationen z.B. Retinoid plus BPO
  • Acne papulopustulosa nodosa: stets topisch und systemisch behandeln, d.h. plus orales Tetracyclin (z.B. Doxycyclin), welches starke antiinflammatorische Wirkung hat (sog. paraantibiotische Wirkung). Bei Frauen Antiandrogene erwägen
  • Acne conglobata: stets systemisches Tetracyclin plus Retinoid plus BPO, bei Frauen auch zusätzlich Antiandrogene (Cyproteronacetat, chlormadinon acetate order Drospirenone, Kombination mit Östrogen)
  • Behandlung atrophischer oder hypertropher Narben: Peeling mit Fruchtsäure oder TCA 20-30%, Dermabrasio, CO2-Laser, Filler, Exzision oder Stanzelevation einzelner Narben
  • Erhaltungstherapie zur Vermeidung von Rezidiven essenziell, vor allem topische Retinoide zur Prävention der Mikrokomedobildung
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